Ob Eistonne, Kaltwasserschwimmen, Kältekammer oder eiskalte Duschen – als Lifestylekonzept hat sich das Baden in kaltem Wasser schon lange durchgesetzt. Aber wie sieht es mit den tatsächlichen, nachweisbaren Wirkungen und eventuellen Gefahren dieser Methoden aus? Dazu wurde Prof. Dr. Axel Preßler jetzt von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung befragt. Wir fassen die wichtigsten Aspekte hier zusammen.
Kälte bewirkt eine Umverteilung des Blutflusses von der Haut in die Körpermitte, um die Organe zu schützen und den Wärmeverlust zu verringern. Stresshormone wie Adrenalin und Kortison werden vermehrt produziert. Dies kann mitunter gefährliche Blutdruckanstiege und eventuell auch Rhythmusstörungen hervorrufen, so dass bei Patienten mit Herzerkrankungen Vorsicht geboten ist. Allerdings kann der Körper sich mit etwas Übung auch daran „gewöhnen“ und trainiert seine Gefäßreaktionen wie in einer Wechseldusche, denn nach dem Eisbad dehnen sich die Gefäße wieder aus und sorgen für eine wohlige Durchblutung mit Ausschüttung von entzündungshemmenden Stoffen und Endorphinen („Glückshormonen“). Dies kann sich wiederum positiv auf den Blutdruck auswirken und er sinkt.
Die genauen physiologischen Vorgänge einer Regeneration durch Kältetherapie sind noch nicht vollständig klar. Man geht davon aus, dass die Verminderung der Gewebetemperatur und ein erhöhter hydrostatischer Druck auf die Muskulatur zu einer Verringerung von Ödemen und zu einer geringeren Entzündungsneigung führt. Dazu kommt es zu geringeren Immunreaktionen im Gewebe, und belastete Strukturen können schneller repariert werden. Im Leistungssport nutzt man diese Effekte bereits seit längerem mit guten Erfolgen.
Der Insulinstoffwechsel scheint einigen Studien zufolge von Kälteanwendungen zu profitieren – es kommt zu einer reduzierten Insulinresistenz, das Hormon kann an den Zellen wieder besser wirken und den Zuckerspiegel kontrollieren. Außerdem kommt es nach einer gewissen Gewöhnung wieder zur Abnahme der Konzentration weiterer Stresshormone wie Adrenalin, Kortisol und ACTH (ein den Kortison-Stoffwechsel regulierendes Hormon).
Viele Eisschwimmer berichten, sie seien seltener und wenn überhaupt nur leicht an typischen Erkältungsinfekten erkrankt. Hier ist die Studienlage nicht ganz eindeutig – es scheint aber durchaus so zu sein, dass kurze Bäder in kaltem Wasser die Aktivität des Immunsystems verbessern. Kleinere Studien aus Finnland konnten tatsächlich auch eine gewisse Reduktion von Atemwegsinfekten nach dem Eisbaden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zeigen.
Kälte stimuliert das sogenannte „braune“ Fettgewebe, welches das stoffwechselaktive Fett ist. Dieses wird neben dem Zusammenziehen der Gefäße (s. o.) und dem Muskelzittern zur Wärmeerzeugung genutzt. Dadurch erhöht sich der Kalorienverbrauch, und potenziell schädliche Blutfettwerte werden gesenkt. Ebenfalls können Kältereize vermehrt „normales“ weißes, inaktives Fettgewebe in Kalorien-verbrennendes braunes Fettgewebe umbauen. Diese Effekte sind gering, aber haben doch eine gewisse Relevanz.
Kaltwasserschwimmen scheint positive Effekte auf die Psyche zu haben. Insbesondere Patienten mit Depressionen und Angststörungen profitieren davon und berichten von gesteigerter Lebensqualität durch Eisbaden oder Kältetherapie.
Kalte Temperaturen erzeugen wie bereits gesagt eine Stressreaktion des Körpers. Dies kann zu Rhythmusstörungen, Atemproblemen und Blutdruckanstiegen führen. Manchmal erzeugt dies einen starken Gegenreflex des Körpers mit plötzlicher Verlangsamung des Pulses und Kreislaufproblemen bis hin zur Bewusstlosigkeit. Darüber hinaus besteht natürlich auch das Risiko einer Unterkühlung. Es gilt aber als erwiesen, dass man sich an Kälte gewöhnen kann, so dass diese Reaktionen trainierbar sind, deutlich geringer ausfallen bzw. gänzlich ausbleiben. Eine sportkardiologische Untersuchung vor einer Kältetherapie ist grundsätzlich immer anzuraten, um eventuelle Risiken zuerkennen. Auch sollte man sich stets langsam an Kälte gewöhnen und niemals alleine ein Eisbad vornehmen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es viele positive Effekte durch Kälteanwendungen gibt. Die offizielle Studienlage dazu wird in den letzten Jahren stetig klarer. Mit einer guten Vorbereitung unter Beachtung der genannten Risiken lässt sich ein Eisbad oder auch eine Behandlung in der Kältekammer sehr gut umsetzen.
Übrigens: auch in unserer Praxis wird es ab dem Frühjahr 2024 die Möglichkeit einer Kältetherapie in einer der modernsten elektrischen Kammern geben – dazu informieren wir Sie natürlich rechtzeitig.
(Foto: Tobias Oetiker | unsplash.com)